Einführung
Im Mai 1999 wurden vom W3C (WWW Consortium) die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) in der Version 1.0 verfasst. Diese Empfehlungen der Arbeitsgruppe Web Accessibility Initiative (WAI) wurden aktualisiert und im Dezember 2008 als WCAG 2.0 veröffentlicht. Die Richtlinien der WCAG beinhalten eine Vielzahl an Empfehlungen, die zur barrierefreien Gestaltung von Webinhalten beitragen sollen. Im Folgenden stellen wir die 4 Prinzipien als Grundlagen der Barrierefreiheit im Internet genauer vor und gehen auf die Erfolgkriterien (Statements) ein.
Eine Umsetzung der Richtlinien bietet nicht nur Menschen, die z. B. visuell, auditiv, sprachlich oder motorisch eingeschränkt sind, eine verbesserte Benutzbarkeit an Online-Inhalten, sondern häufig auch vielen anderen Nutzern wie z. B. älteren Menschen (sogenannte Silver Surfer).
Prinzipien
Die 12 WCAG 2.0 Richtlinien werden 4 Prinzipien untergeordnet, die die Grundlage der Barrierefreiheit im Netz darstellen:
- Prinzip 1: Wahrnehmbar – Informationen und Bestandteile der Benutzerschnittstelle müssen den Benutzern so präsentiert werden, dass diese sie wahrnehmen können.
- Prinzip 2: Bedienbar – Bestandteile der Benutzerschnittstelle und Navigation müssen bedienbar sein.
- Prinzip 3: Verständlich – Informationen und Bedienung der Benutzerschnittstelle müssen verständlich sein.
- Prinzip 4: Robust – Inhalte müssen robust genug sein, damit sie zuverlässig von einer großen Auswahl an Benutzeragenten einschließlich assistierender Techniken interpretiert werden können.
Jede Richtlinie enthält Erfolgskriterien, die als testbare Aussagen formuliert sind, die sogenannten Statements. Diese sind nicht technik-spezifisch und lassen sich so auf verschiedene aktuelle und zukünftige Webtechniken anwenden. Die Erfüllung der Erfolgskriterien wird in 3 Konformitätsstufen eingeteilt: A, AA und AAA, wobei A die niedrigste Stufe darstellt. Um eine Konformitätsstufe zu erreichen, müssen alle Kriterien der jeweiligen Stufe erfüllt sein sowie bei AA und AAA die Kriterien der darunterliegenden Stufe/n.
Überblick über die Richtlinien zur barrierefreien Gestaltung von Websites
1 Wahrnehmbar
1.1 Textalternativen: Stellen Sie Textalternativen für alle Nicht-Text-Inhalte zur Verfügung, so dass diese in andere vom Benutzer benötigte Formen geändert werden können, wie zum Beispiel Großschrift, Braille, Symbole oder einfachere Sprache.
1.2 Zeitbasierte Medien: Stellen Sie Alternativen für zeitbasierte Medien zur Verfügung.
1.3 Anpassbar: Erstellen Sie Inhalte, die auf verschiedene Arten dargestellt werden können (zum Beispiel mit einfacherem Layout), ohne dass Informationen oder Strukturen verloren gehen.
1.4 Unterscheidbar: Machen Sie es für den Benutzer leichter, Inhalte zu sehen und zu hören, einschließlich der Trennung zwischen Vordergrund und Hintergrund.2 Bedienbar
2.1 Per Tastatur zugänglich: Sorgen Sie dafür, dass alle Funktionalitäten von der Tastatur aus verfügbar sind.
2.2 Ausreichend Zeit: Geben Sie den Benutzern ausreichend Zeit, Inhalte zu lesen und zu benutzen.
2.3 Anfälle: Gestalten Sie Inhalte nicht auf Arten, von denen bekannt ist, dass sie zu Anfällen führen.
2.4 Navigierbar: Stellen Sie Mittel zur Verfügung, um Benutzer dabei zu unterstützen zu navigieren, Inhalte zu finden und zu bestimmen, wo sie sich befinden.3 Verständlich
3.1 Lesbar: Machen Sie Textinhalte lesbar und verständlich.
3.2 Vorhersehbar: Sorgen Sie dafür, dass Webseiten vorhersehbar aussehen und funktionieren.
3.3 Hilfestellung bei der Eingabe: Helfen Sie den Benutzern dabei, Fehler zu vermeiden und zu korrigieren.4 Robust
4.1 Kompatibel: Maximieren Sie die Kompatibilität mit aktuellen und zukünftigen Benutzeragenten, einschließlich assistierender Techniken.
Gesetzliche Bestimmungen
In Deutschland sind bis dato keine Gesetze verabschiedet, die eine allgemeine Barrierefreiheit aller Webseiten in Deutschland regelt und vorschreibt. Für Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die dem Bund untergeordnet sind, gibt es seit dem 17.07.2002 die BITV – die Barrierefreie Informationstechnik Verordnung, die auf den WCAG basiert. Gemäß §1 der BITV wird der Geltungsbereich folgendermaßen angegeben:
„Die Verordnung gilt für:
- Internetauftritte und -angebote,
- Intranetauftritte und -angebote, die öffentlich zugänglich sind, und
- mittels Informationstechnik realisierte graphische Programmoberflächen, die öffentlich zugänglich sind,
der Behörden der Bundesverwaltung.“
Auch wenn derzeit noch keine Pflicht besteht, alle Websites barrierefrei zu gestalten, sollten sich Webseitenbetreiber mit dem Thema auseinandersetzen und prüfen, an welchen Stellen besonders Barrieren der Nutzung des Webangebotes bestehen und diese abbauen. Bei der Umsetzung vieler Kriterien der WCAG werden Schwachstellen aufgedeckt, deren Beseitigung einer größeren Nutzeranzahl zugute kommt.
Vorteile barrierefrei gestalteter Websites
Zu den Vorteilen, die durch die barrierefreie Gestaltung von Websites erreicht werden können, gehören beispielsweise:
- Reichweitensteigerung durch Erweiterung der Zielgruppe und Optimierung der Website für Suchmaschinen
- Verbesserung der Usability und Erhöhung der Conversionrate durch benutzerfreundlichere Gestaltung der Website
- Imagesteigerung durch soziales Engagement
- Leichtere Wartbarkeit durch klare Trennung von Technik und Inhalten
Im Jahr 2009 lag die Zahl der Schwerbehinderten (mind. 50 % behindert) bei 7,1 Millionen. Jeder zehnte Bundesbürger ist demzufolge in irgendeiner Form körperlich oder psychisch beeinträchtigt – eine relativ große zusätzliche Zielgruppe also. Gerade für Menschen mit Behinderungen stellt das Internet eine erhebliche Erleichtung des Alltags dar. So nutzen laut einer Studie der Aktion Mensch Behinderte das Internet pro Woche sogar häufiger als Menschen ohne Behinderung. Online-Shopping, Soziale Netzwerke, Online-Banking, Nachrichten online lesen – viele Internetangebote, die viele Menschen tagtäglich nutzen, sind für behinderte Mitmenschen häufig mit erheblichen Barrieren oder gar nicht erst zugänglich. Barrierefreie Websites sollten jedoch im Sinne der Gleichstellung aller Menschen selbstverständlich sein.
Im Rahmen einer Artikelserie zum Thema Barrierefreiheit werden wir jede Richtlinie in einem eigenen Blogpost behandeln und darstellen, was die jeweilige Richtlinie bedeutet und Beispiele aufzeigen.
Weiterführende Links zum Thema Barrierefreiheit:
[…] 1.1 Textalternativenvon Susanne Warlich am 07.04.2011Tweet Dieser Beitrag gehört zur Artikelserie Richtlinien für barrierefreie Webinhalte WCAG 2.0. Er soll die Erfolgskriterien, Bedeutung und Umsetzung der Richtlinie 1.1 Textalternativen […]