Bei der jährlichen Studie State of the Media 2012 werden ganz neue Fakten auf den Tisch gelegt, welche den Verlagen doch zu denken geben sollten. Obwohl die Mobile-Branche boomt und mehr als jedes zweite verkaufte Mobiltelefon in Deutschland ein Smartphone ist, können Verlage dennoch diesen Schwung nicht für ihre Reichweite nutzen. Die meisten Umsätze durch Werbung im mobil genutzten Internet heimsen immer noch die Digital Natives unter den ganz großen Unternehmen ein. Allen voran Google, denen 40% der online Werbeumsätze gehören. Zusammen mit Facebook und Co. ergibt das schon 68%.
23% der Endnutzer nutzen mindestens zwei unterschiedliche Gerätetypen um Nachrichten im Internet zu lesen
Insgesamt zu erkennen ist vor allem, dass sich ein hohes Potential für digitale Nachrichtenanbieter aufgetan hat. Nachrichtenkonsum auf mobilen und sonstigen neuartigen Geräten „kannibalisiert“ den Medienhunger der Konsumenten nicht. Sprich: es werden zusätzlich mehr digitale Nachrichten gelesen, weil man auf neuen Wegen darauf zugreifen kann.
Hinzu kommt, dass die Nutzer von immer mehr Gerätetypen „umkreist“ werden. Ein Großteil (46%) liest nämlich nicht nur auf einem stationären Rechner (Laptop oder PC/Mac) Nachrichten, sondern zusätzlich entweder auf einem Smartphone oder einem Tablet-Computer. Der Zugriff auf digitale Nachrichten kann also mehrspurig gefahren werden, was die Konsumzeit erhöht.
Dreispurig wird der Konsum sogar schon bei 5% der Nutzer, welche von allen drei Gerätetypen mindestens eines besitzen.
Spannend wird es, sobald die naheliegendste aller Fragen aufkommt: Zu welcher Tageszeit und Situation kann ich die Nutzer als Contentanbieter am besten erreichen?
Hierfür hatte vor mehreren Monaten (Okt. 2011) eine comScore Statistik die Antwort gefunden.
Demnach sind die Nutzer der mobilen Geräte eben vor und nach den üblichen Arbeitszeiten abzuholen. Die Wachablösung findet um 9:00 Uhr und kurz nach 18:00 Uhr statt. Die Arbeitszeit (üblicherweise in den USA 9:00am – 6:00pm) definiert den Rahmen, in dem man sich über das Tagesgeschehen informiert.
Tatsächlich nimmt Mobile demnach nicht dem Desktop die Reichweite weg, doch die Tageszeitung hat an einer weiteren Front zu kämpfen. Frühmorgens wird nicht mehr die Zeitung am Kiosk geholt, sondern der RSS-Reader und sämtliche Apps gestartet. Eine Entwicklung, die klassischen Verlagen wieder einmal eine Reaktion abfordert, welche aber nicht schnell und dynamisch kommt. Noch immer sind es die Einheimischen in der digitalen Welt, welche die Nase vorne haben und das Business bestimmen. News Aggregatoren wie Yahoo und Google sind bei den Einnahmen in den USA ganz weit vorne.
Brands wichtiger als Social Media Empfehlungen
Gleichzeitig haben große und bekannte Verlage einen guten Start bei den Smartphone Nutzern. Anders als erwartet sind nicht die Social Media Kanäle der übliche Pfad zu einer Meldung eines Nachrichtenanbieters. Obwohl die Pflege von Kontakten in Facebook und Co. eine der Hauptanwendungen ist, reagieren nicht viele auf Empfehlungen, was News anbelangt.
Der klassische Weg wird auf dem Smartphone eingeschlagen: man geht in den häufigsten Fällen direkt zur Quelle ohne Umwege. Während 36% der Befragten angaben, dass sie direkt zu einer Seite navigiert haben, sagten nur noch 9%, dass sie über ein Social Network einer Empfehlung zu einem Artikel gefolgt sind.
Die schönste Statistik ist die, die man selbst gefälscht hat
Kritisch sollte man bei diesen Statistiken jedoch immer bleiben. Befragt wurden zwar knapp 3.000 Personen in den USA, jedoch nur am Telefon. Es wurden keine Erhebungen zu den tatsächlichen Trafficquellen gemacht. Ebenfalls sind die Zahlen von comScore auf nicht detailliert beschriebene Wege ermittelt worden.
Zudem sind dies Werte für die USA, was nicht immer auf alle anderen Länder übertragbar ist. Obwohl eine interessante Tendenz zu erkennen ist, kann man noch nicht genau ableiten welchen Einflüssen vor allem in Deutschland Vorrang zu geben ist. Gerade bei den Social Networks wie z.B. Twitter ist bis heute noch nicht von einer Etablierung zu sprechen.
Ebenfalls sehr fragwürdig ist der Vergleich von Google und Co. und Contentanbietern wie beispielsweise Nachrichtenportalen. Natürlich sind die Umsätze der Werbenetzwerke die höchsten, die Werbefläche aber bieten die Contentanbieter. Eine Konkurrenz zwischen diesen beiden unterschiedlichen Geschäftsfeldern ist somit gar nicht gegeben. Es ist eher eine Synergie.
Was jetzt?
Nichtsdestotrotz bleibt die Aufforderung zum Handeln bei den Contentanbietern. Erneut sind sich dynamisch verändernde Rahmenbedingungen für die Reichweitengenerierung vorangeschritten. Jetzt heißt es nachziehen für die großen Verlage. Kleine und agile Blogs hingegeben sind hier wieder einen Schritt weiter. An der Spitze liegen Google, Yahoo, Facebook usw., die sich erst einmal nicht vom Thron stoßen lassen. Doch wie lange es die klassische Tageszeitung noch gibt, das ist vielleicht die interessanteste Frage.
Wie denkt ihr darüber?
Ja – es tut sich viel. Ja, Blogs sind beweglicher. Aber warum genau diese jetzt vor den Online-Portalen klassischer Verlage die Nase vorne haben sollen – da wird es etwas schwammig mit der Argumentation, oder? 😉
Denke ich an Google, sind z.B. die Verlage genau da, wo Google mit den Ergebnissen hin will – sprich Brands. Siehe dazu die SMX-Keynote von Rand dieses Jahr.
Denke, da haben die Verlage – auch was News & neue Geräte angeht – einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Nur weil ich ein mobiles Device nutze, ist es mir ja nicht egal, wo ich meine Nachrichten lese. Wobei man hier unterscheiden muss: bei DSDS ist es mir vielleicht egal, bei Politik & Wirtschaft hingegen vermutlich eher weniger.
Klar ist aber auch, diesen oben genannten Vorteil muss man nutzen und auf die Strasse bringen und nicht durch Leistungsschutzrecht etc. an die Wand fahren 😉
Btw: der Link hinter ‚State of the Media 2012‘ geht ins Nirwana.