Die Welt ist nicht genug – warum sich nur auf ein Land beschränken, wenn es über das Internet doch so leicht ist, an User aus der ganzen Welt zu kommen und so seine Umsätze zu erhöhen? Welche Unterschiede in der Nutzung von Websites in verschiedenen Ländern und Kulturen bestehen und auf was bei der Internationalisierung von Websites aus Usability-Sicht geachtet werden sollte, wird in diesem Artikel etwas näher beleuchtet.

Länderauswahl optisch ansprechend gestalten

Die Steuerung, auf welche Länderseite ein User einer internationalen Website geschickt wird, kann zwar automatisiert geschehen. Allerdings wird auch immer eine manuelle Auswahl benötigt, falls bewusst eine anderssprachige Seite aufgerufen werden soll. Ein deutschsprachiger User beispielsweise, der sich in den USA befindet, möchte möglicherweise lieber die deutsche Variante besuchen. Die Auswahl der Länder kann optisch ansprechend gestaltet werden, indem den Usern z. B. kleine Flaggen dargestellt werden, wie es bei Nestle.com der Fall ist:

Auch Apple.com nutzt Flaggen, um Usern die Auswahl zu vereinfachen. Allerdings gibt es auch Websites, die es dem User nicht leicht ermöglichen, schnell die gewünschte Variante zu finden:

Hilfreicher wäre es hier, ebenfalls mit kleinen Flaggen zu arbeiten, um das gewünschte Land schneller zu finden. Die alphabetische Sortierung ist zwar sinnvoll, reicht meines Erachtens aber nicht aus, um den User schnell zur gewünschten Zielwebsite zu führen. Eine schöne und nutzerfreundliche Möglichkeit, Sprache, Währung und Region auszuwählen, findet sich bei etsy.com. Im unteren Seitenbereich befinden sich Links mit der aktuellen Einstellung über die sich eine Lightbox öffnet. Dort können User individuelle Einstellungen vornehmen.

So können beispielsweise User, die sich in Kanada befinden und Französisch sprechen, schnell ihre Auswahl treffen.

Sprachliche Unterschiede und Designanpassungen

Gleiche Sprache, andere Länder – wonach suchen die User?

Es reicht nicht, Websites einfach in die jeweiligen Landessprachen zu übersetzen. Schon gar nicht von Nicht-Muttersprachlern. Kulturelle und sprachliche Unterschiede führen dazu, dass jede Sprach-Land-Kombination eigenständige Übersetzungen benötigt. Eine Website, die in Großbritannien, Kanada, USA oder Australien funktionieren soll, darf nicht einfach für alle Länder dasselbe englische Vokabular nutzen. Jedes Land macht Unterschiede im Sprachgebrauch und bedarf daher einer eigenen Übersetzung. Dieser häufig nicht unerhebliche Mehraufwand ist jedoch gerechtfertigt, zumal er auch SEO-technische Vorteile mit sich bringt. Begriffe, die User in ihrem Wortschatz nicht nutzen, werden diese auch nicht in Suchmaschinen suchen.

Designanpassung nach Leserichtung

Die Leserichtung in arabischen Ländern von rechts nach links erfordert Anpassungen des Layouts. Eine linksbündige Ausrichtung der Texte wäre für Nutzer dieser Herkunft umständlich zu lesen. Durch Übersetzung von Texten werden diese häufig auch viel länger als im ursprünglichen Text. Dies erfordert unter Umständen auch eine Anpassung an das Layout. Gerade die deutsche Sprache benötigt häufig mehr Worte als beispielsweise das Englische, um die gleichen Informationen zu übermitteln. Die Airline der Vereinigten Arabischen Emirate, Emirates, stellt arabische Inhalte auf Ihrer Website rechtsbündig dar. Auch die Navigation und die Beschriftung und Symbole von Buttons sind rechtsbündig angeordnet:

Beim Umschalten auf Englisch wird das Layout angepasst und linksbündig angezeigt:

Rechtsbündige Ausrichtung der arabischen Variante von Emirates.com

Rechtsbündige Ausrichtung der arabischen Variante von Emirates.com

Linksbündige Ausrichtung der arabischen Variante von Emirates.com

Linksbündige Ausrichtung der arabischen Variante von Emirates.com

 

Fehlertolerante Suchfunktionen erhöhen die Usability

Suchfunktionen sollten grundsätzlich so programmiert sein, dass sie Falschschreibweisen möglichst gut abfangen. Häufig suchen User auf internationalen Websites in Sprachen, die sie nicht als Muttersprache sprechen. Dementsprechend sollte die Suche auch Vertipper/Falschschreibweisen abfangen. Eine Möglichkeit, diesem Problem zu begegnen, sind Suggests, also Vorschläge, die automatisch im Suchfeld erscheinen. Idealerweise sollte die interne Suche auch unterschiedliche Wörter einer Sprache abfangen können oder Synonyme, z. B. color/colour, petrol/gas, Pfannkuchen/Eierkuchen, Krapfen/Berliner, etc.

Farbgestaltung internationaler Websites

Kulturelle Unterschiede begegnen einem auch bei der Nutzung von Farben. So wird beispielsweise die Farbe Weiß in westlichen Ländern mit Hochzeit, Frieden und Reinheit verbunden. In China hingegen wird weiße Kleidung häufig bei Beerdigungen getragen. Während die Farbe Rot in China eine positive Stimmung erzeugt, da sie für eine gute Zukunft steht, wird sie in westlichen Ländern jedoch mit Gefahr oder Liebe verbunden.

Color meanings by culture (Quelle: globalization-group.com)

Color meanings by culture (Quelle: globalization-group.com)

Die Farbe Blau besitzt in den meisten Kulturen positive Assoziationen, z. B. Sauberkeit in Skandinavien, Unsterblichkeit in China und im Iran oder Freude in Afrika. Häufig wird blau daher auch als sicherste und positivste globale Farbe bezeichnet. Eine schöne Übersicht über die unterschiedlichen Bedeutungen von Farben findet sich hier: Color meanings by culture.

Visuelle Gestaltung hinsichtlich kultureller Unterschiede

Unterschiede im Gebrauch von Handzeichen

Unterschiede im Gebrauch von Handzeichen (Quelle: daad.de)

Auch im Bereich von Fotos ist an kulturelle Unterschiede zu denken und vorher zu prüfen, welche Assoziationen mit Bildern verbunden sein können. Gesten werden in verschiedenen Ländern ebenfalls unterschiedlich aufgefasst. So ist beispielsweise das Victory-Zeichen zwar in den meisten Ländern ein Zeichen für Frieden, dreht man jedoch die Handfläche nach vorne kann dies von Australiern und Briten als Beleidigung angesehen werden. In diesen Ländern wird das Zeichen dazu genutzt, um seinem Gegenüber unhöflich mitzuteilen, jemanden in Ruhe zu lassen. Auch zu freizügig gekleidete Menschen können in anderen Ländern sehr unpassend wirken, z. B. Bilder von Frauen in Bikinis in arabischen Regionen. Daher sollte bei der Verwendung von Fotos penibel darauf geachtet werden, was angemessen ist und welche Fotos auf der Website besser angepasst werden sollten.

Unterschiedliche Designansprüche: Low Context vs. High Context

Der amerikanische Anthrophologe Edward T. Hall entwickelte eine Theorie, die er 1976 in seinem Buch „Beyond Culture“ vorstellte. Gemäß Hall gibt es zwei unterschiedliche Konzepte zur Informationsgewinnung bzw. Informationsverarbeitung und dazu notwendiger Vernetzung, die sich um starken oder schwachen Kontextbezug bei der Kommunikation drehen.

In High Context Kulturen, also Kulturen mit starkem Kontextbezug wie z. B. China, Japan, Spanien, Frankreich oder Lateinamerika, werden Dinge in der Regel nicht direkt angesprochen. Ihre Bekanntheit wird implizit vorausgesetzt und das Erwähnen zahlreicher Details kann als negativ empfunden werden. Auch der Gesichtsausdruck der Gesprächspartner, Anspielungen, die Umstände der Begegnung und viele weitere Kontextfaktoren sind eigene Informationsträger, die nicht zu unterschätzen sind. High Context Kulturen nutzen viel mehr Bilder und Animationen und mögen helle und farbenfrohe Websites. Was aus westlicher Sicht schnell überladen wirkt ist für Asiaten ansprechender als minimalistisches Design, das von westlichen Usern bevorzugt wird. Sofort beim Seitenaufruf abspielende Videos sind bei Usern in Asien beliebt, westliche User hingegen fühlen sich von solchen Praktiken schnell genervt.

In Low Context Kulturen, wie beispielsweise Deutschland, USA, Kanada, Großbritannien oder skandinavischen Ländern, werden Dinge hingegen direkt angesprochen. Hier wird alles beim Namen genannt, man wirkt direkter und fühlt sich verpflichtet, dem Gegenüber möglichst präzise Angaben zu machen. User solcher Low Context Kulturen schätzen Worte und Individualisierung, die Ansprache ist normalerweise direkt und es herrscht eine klare Kommunikation. Das spiegelt sich auch im Designanspruch wider.

Domains/URL-Design für internationale Websites

Nutzer klicken häufiger auf Websites ihres eigenen Landes, z. B. bevorzugen Schweizer Seiten mit der Endung .ch im Gegensatz zu deutschen Domains. Die Domainendung ist auch oft ein gewisser Vertrauensfaktor. Bei der Wahl der Domain für eine internationale Website gibt es verschiedene Ansätze. Eine .com Domain ist gut zu internationalisieren, z. B. apple.com/de/ oder apple.com/ch/ und kann zur Suchmaschinenoptimierung auf unterschiedliche Länder ausgerichtet werden. Länderspezifische ccTLD-Domains werden jedoch von vielen Nutzern bevorzugt geklickt. Hier besteht häufig das Problem, dass der Domainname nicht mehr in allen ccTLDs verfügbar ist oder, dass länderspezifische Domainendungen nicht überall einfach zu registrieren sind. Gerade, wenn das Unternehmen keinen Sitz in diesen Ländern besitzt, gestaltet sich die Registrierung solcher Domains zum Teil schwierig. Ein Praxis-Beispiel zur Ausrichtung von .com-Domains auf unterschiedliche Sprachversionen findet sich bei Apple.com:

Die Verwendung von ccTLDs findet sich z. B. bei Amazon oder Ebay:
Welche Variante am sinnvollsten ist, muss jeweils im Einzelfall entschieden werden. Bei Google finden sich weiterführende Informationen zur Ausrichtung von Websites für mehrere Regionen.

Performance

Je nachdem, wo eine Website gehostet wird, kann die Performance für User anderer Länder beeinträchtigt werden. Rufen beispielsweise User aus Australien eine in den USA gehostete Seite auf, so sollten die Ladezeiten nicht deutlich über denen liegen, die ein in den USA ansässiger User erhält. Abhilfe schaffen hier beispielsweise Content Delivery Networks. Mithilfe dieser CDNs können Inhalte in allen Ländern relativ gleich schnell ausgeliefert werden, da CDNs lokale Server über das Internet verbinden und so einen Performancevorteil bringen können. Der PageSpeed Service von Google beispielsweise hilft Webseitenbetreibern dabei, ihre Inhalte schneller auszuliefern. Performance ist nicht nur aus Usability-Sicht ein wichtiger Punkt, sondern seit einiger Zeit auch ein von Google bestätigter Faktor, der das Ranking in Suchergebnissen beeinflusst. Daher sollte dieses Thema nicht vernachlässigt werden, sondern mit möglichst allen Mitteln versucht werden, die Websiteleistung zu optimieren. In einer dreiteiligen Artikelserie auf seo-news finden sich weitere Informationen zur Optimierung der Performance.

Inhalte international ausrichten

Thebay.com, Kanadas führender Department Store, gibt auf der Website alle Preise lediglich mit dem Dollarzeichen $ an. Durch die Domainendung .com kann ein User nicht erkennen, ob sich der Shop in Kanada befindet, in den USA oder irgendwo anders. Da es den Dollar in verschiedenen Währungen gibt (US-Dollar, Kanadischer Dollar, Hongkong-Dollar, Australischer Dollar, etc.), sollten User leicht erkennen können, in welcher Währung Waren oder Dienstleistungen auf einer Website ausgezeichnet sind.

Bei der Gestaltung internationaler Websites sollten auch inhaltliche Dinge berücksichtigt werden. So sollten beispielsweise Formulare zur Adresseingabe an unterschiedliche Anforderungen der jeweiligen Länder anpassbar sein. Der Internethändler Amazon nutzt auf seiner .com-, .co.uk- und der .de-Website nahezu identische Formulare. Bei der Eingabe deutscher Adressen steht jedoch üblicherweise die PLZ vor dem Ort, die Angabe eines Bundeslandes ist in der Regel unnötig und auch als optional gekennzeichnet.

Für eine bessere Usability auf internationalen Websites sollten – gerade, wenn es nicht unzählige Länder gibt, in die geliefert werde kann – auf angepasste Formulare für jedes Land zurückgegriffen werden, um Usern das Ausfüllen zu erleichtern und fehlerhafte Eingaben und Kaufabbrüche zu vermeiden.

Weitere Elemente, die bei der Internationalisierung berücksichtigt werden sollten:

  • Darstellung des Datums: Was ist mit der Schreibweise 12/09/10 gemeint, der 12. September 2010 oder der 09. Dezember 2010? Um eine einheitlich verständliche Datumsangabe auf einer Website zu machen, sollte z. B. das ISO Format YYYY-MM-DD genutzt werden, oder der Monat ausgeschrieben werden: September 12, 2010.
  • Auszeichnung der Sprache im Quellcode aus Accessibility-Gründen, z. B. <html xmlns=“http://www.w3.org/1999/xhtml“ xml:lang=“de-CH“ lang=“de-CH“>
  • Angabe der Zeitzone wenn Uhrzeiten angegeben werden, z. B. bei Webinaren
  • Angabe bzw. Umrechnungsmöglichkeit von Gewichts- oder Längenangaben, da diese z. B. in den USA anders dargestell werden (Fuß, Meile, etc.)
  • Angabe der Liefergebiete, Versandkosten sowie Lieferzeiten!

Die benutzerfreundliche Ausrichtung internationaler Websites bedarf selbstverständlich noch weitaus mehr Anpassungen. Dieser Artikel erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern lediglich zur Schaffung einer kleinen Basis. Usability-Tests mit Usern aus den entsprechenden Ländern sollten durchgeführt werden, um länderspezifische Eigenheiten möglichst nutzerfreundlich zu gestalten.