Tim Berners-Lee, der Erfinder des Internet schrieb einmal:

„Ich habe einen Traum für das Web, in dem Computer in der Lage sind, alle Daten im Web zu analysieren, alle Inhalte, Links und Transaktionen zwischen Menschen und Computern. Ein ‚Semantisches Web‘, welches dies ermöglichen würde ist noch nicht entstanden, aber wenn es soweit ist, werden die täglichen Mechanismen des Handels, der Bürokratie und unseres täglichen Lebens durch Maschinen übernommen werden, die mit Maschinen sprechen. Diese ‚intelligenten Agenten‘, welche die Menschen schon seit Ewigkeiten propagieren, werden letztendlich verwirklicht.“ (Quelle)

Die Entstehung von Siri, dem neuen persönlichen Assistenten für das iPhone 4S, kann vielleicht sogar der Anfang dieses Prozesses sein. Siri besitzt grundsätzlich die Fähigkeiten die menschliche Interaktion mit Maschinen zu revolutionieren. Bisher ist Siri noch im Beta-Stadium (bei Apple ist beta anscheinend noch etwas besonderes ;-)) und seine Fähigkeiten sind zur Zeit auf iPhone-Anwendungen beschränkt. Aber Apple wird Siri verbessern und bald werden Anwendungen von Drittanbietern die Möglichkeit haben, auf die mehr als 45 APIs von Siri zugreifen zu können. Womit der Fernseher, den Apple aller Voraussicht nach 2012 auf den Markt bringen wird, gesteuert wird? Man kann sichs denken… (Quelle)

Für diejenigen, die Siri noch nicht kennen: die Spracherkennungssoftware nutzt das im iPhone 4S eingebaute Mikrofon um Sprachbefehle des Nutzers aufzunehmen und sie in Aktionen auf dem Handy umzuwandeln. Folgende Arten von Aufgaben kann man mit Siri erledigen:

  • Fehlende Daten bei Siri

    Fehlende Daten bei Siri

    Anrufe initiieren

  • Wetter abfragen
  • Freunde / Familienangehörige finden
  • Musik abspielen
  • E-Mails / SMS / iMessages versenden
  • Notizen erstellen
  • Kalendereinträge erstellen
  • Wecker einstellen
  • Wegbeschreibungen
  • Antworten auf Sachfragen
  • Suche im Internet

Leider kann Siri dem deutschen User momentan noch keine Wegbeschreibungen, Verkehrsdaten und Karten bieten. In den englischen FAQ findet sich jedoch der Hinweis, dass Maps und Local Search im nächsten Jahr auch für weitere Länder zur Verfügung stehen werden (Quelle).

Siri und die Auswirkungen auf die Local-Search

Mit Siri wird Search auf einem mobilen Gerät deutlich einfacher: Anstatt auf einer kleinen Bildschirmtastatur knappe Suchbegriffe wie „Pizza Hamburg“ bei Google zu suchen, können User jetzt Siri mit mehr Kontext belasten: „Was ist das beste italienische Restaurant in meiner Nähe?“ Während also die lokale Suche auf Handys und Smartphones bereits deutliche Steigerungen im Vergleich zu herkömmlichen Web-Traffic erfahren konnte (Quelle), präsentiert sich Siri als erneuter Game Changer: Die Suche wird deutlich bequemer, selbst im Vergleich zum Googlen am Rechner zu Hause. Bisher ist noch Google der Mittelsmann zwischen den Usern und der Information. Aber Apple wird Siris Plattform immer weiter ausbauen und somit immer mehr Adwords- und Adsense-Einnahmen von Google stehlen können (wobei sicher auch die Google-Suchanfragen allgemein steigen werden, da man Siri anhand „Suche im Web nach…“ als Sprach-Front-End für Google verwenden kann).

Doch was hat Google einem Produkt wie Siri entgegenzusetzen? Das Google-Pendant nennt sich Voice Actions und ist eine Such-App für Android, die per Sprache gesteuert wird. Jedoch mit einem fundamentalen Unterschied: Siri scheint sogar zu verstehen was man meint. Die Apple-Software erweckt den Eindruck ein viel präziseres Verständnis von dem zu haben, was gesagt wird und dem Kontext, in dem dieses ausgesprochen wird. Google scheint sich dessen bewusst zu sein, Android-Entwickler Andy Rubin reagierte auf Siri angesprochen jüngst relativ dünnhäutig: „Ich glaube nicht, dass das Telefon dein Assistent sein sollte. Das Telefon ist ein Werkzeug für die Kommunikation. Man sollte nicht mit dem Telefon selbst kommunizieren, sondern mit jemandem auf der anderen Seite des Telefons“(Quelle). Googles Chairman und Ex-Mitglied des Board of Directors bei Apple Eric Schmidt geht sogar einen Schritt weiter und attestiert Apple mit Siri eine „bedeutende Entwicklung“, die das Kerngeschäft des Suchgiganten bedrohen könnte (Quelle). Google würde es manchmal nicht schaffen, den drohenden Wettbewerb durch neuartige Methoden des Informationszugriffes zu antizipieren, so Schmidt.

Siri: Anwendungsbeispiele

Siri: Anwendungsbeispiele

Doch geht es nicht vielleicht sogar um mehr als das, vielleicht sogar um Grundlegenderes? Google hat unser Leben definitiv enorm vereinfacht, hat die Suche umfassender und unmittelbarer gemacht. Aber ist dies nicht das falsche Paradigma? Was Menschen möchten sind schließlich keine blauen Links, sondern Antworten auf ihre Fragen. Das Lesen, Klicken und Suchen als Zwischenschritt macht vielleicht SEOs und SEMlern Spaß, normale User empfinden es als nerv- und zeittötend, wenn nicht sogar als psychischen Druck oder Stress. Googles Konkurrent Microsoft scheint dies verstanden zu haben und verkauft seine Suchmaschine Bing nicht erst seit der Kooperation mit Wolfram Alpha als „Entscheidungsmaschine“ (Bing-Werbespot). Das Dilemma dieses Ansatzes: Für viele Probleme gibt es nicht nur den einen Link, die eine Website oder den einen Artikel. Wer entscheidet, welches genau das Ergebnis ist, welches Siri dem fragenden Nutzer präsentiert (gesetzt die Prämisse, dass die eine befriedigende Antwort schon im Web vorhanden ist)? Aber hier genau liegt die Möglichkeit der Monetarisierung von Siri: Bei einem sprachgesteuerten Dienst gibt es keinen Platz für Anzeigen. Aber die Ansage von Siri selbst könnte bald selbst die Anzeige sein: Anbieter werden sich sicher darum reißen bei Siri als z. B. bester Italiener in Hamburg genannt zu werden.

Ob Siri jetzt der Google-Killer ist oder wird, hängt von den oben genannten Faktoren ab. Der Killer der (Bildschirm-)Tastatur ist der persönliche Assistent im Handy allemal. Jetzt fehlt nur noch, dass man wie der gute alte Gaius Iulius Caesar, mehrere Briefe bzw. Mails gleichzeitig diktieren kann ;-).

Wie reagiere ich als Webmaster oder SEO auf Siri?

Webmaster können sich auf noch mehr Traffic von mobilen Endgeräten freuen. Wie sollte man sich also vorbereiten? Zu allererst sollte man sichergehen, dass die eigene Seite mobile-freundlich ist, sprich: kein Flash, keine laute Musik, keine ausgeflippte Navigation mit Roll-over-Submenüs. Im nächsten Schritt gilt es das eigene Search-Profil zu schärfen: Anmeldungen bei Yelp, Google Places und anderen gehören dazu. Und wo wir so oft bei „Pizza Hamburg“ waren: Bitte keine Speisekarten im PDF-Format…